Arbeitsplatzbewertung
Gemäß deutschem Arbeitsschutzgesetz ist der Arbeitgeber verpflichtet, für die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer zu sorgen. Einfach ausgedrückt: Arbeitsschutz ist Chefsache.
Die Gefährdungsbeurteilung, manchmal auch Arbeitsplatzbewertung genannt, ist dabei das wichtigste Argument, um Risiken und Gefahren für die Arbeitnehmer aufzudecken und in der Folge auch zu beseitigen. In Deutschland gibt es – anders als in anderen EU-Ländern – keine Auflagen, in welchen zeitlichen Abständen diese Beurteilung durchzuführen ist. Jedoch müssen die Ergebnisse einer Beurteilung dokumentiert werden. In diesem Artikel erfahren Sie mehr über die verschiedenen Methoden und Aspekte einer Arbeitsplatzbewertung.
Was ist eine Gefährdungsbeurteilung?
Wieso braucht es überhaupt Arbeitsplatzbewertungen? Im Grunde ist eine solche Erhebung eine einfache, anonyme Weise, um das Wohlbefinden der Mitarbeiter am Arbeitsplatz zu bewerten.
Eine Gefährdungsbeurteilung ist letztlich ein Wettbewerbsfaktor. Sie zeigt Schwachstellen auf, reduziert den Krankenstand und macht Mitarbeiter leistungsfähiger. Arbeitgeber erhalten zudem Erkenntnisse über Problemfelder für die psychische und physische Gesundheit ihrer Mitarbeiter.
Wenn Arbeitgeber Maßnahmen treffen, um diese Probleme zu beheben und die Arbeitsbedingungen über das gesetzliche Mindestmaß hinaus zu verbessern, führt das oft zu einer deutlich höherne Motivation und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter.
In 8 Schritten zur Arbeitsplatzbewertung
In Deutschland gibt es keine Vorschrift, wie eine Gefährdungsbeurteilung / Arbeitsplatzbewertung durchzuführen ist. Deshalb kann es auch kein Muster für eine Gefährdungsbeurteilung im Sinne eines Fragebogens zum Download geben. Generell kann ein 8-Schritte-Modell dabei helfen, die Beurteilung durchzuführen. Diese Beurteilung kann sowohl der Arbeitgeber (Arbeitsschutz ist Chefsache!) oder auch ein externer Dienstleister durchführen. Wichtig ist, dass die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung schriftlich festgehalten werden.
Im Folgenden erhalten Sie Tipps zu den 8 Schritten einer Gefährdungsbeurteilung. Diese 8 Schritte sind die Folgenden:
– Vorbereiten
– Gefährdungen ermitteln
– Gefährdungen beurteilen
– Maßnahmen festlegen
– Maßnahmen umsetzen
– Wirksamkeit der Maßnahmen überprüfen
– Ergebnisse dokumentieren
– Fortschreiben
Vorbereiten
Nicht jeder Mitarbeiter eines Betriebs ist den gleichen Risiken ausgesetzt. Bei einem Arbeiter in der Produktion spielen andere Faktoren eine Rolle als bei einer Verwaltungskraft. Deshalb muss die Gefährdungsbeurteilung auf verschiedene Bereiche des Betriebs angepasst werden: Jeder Bereich erhält eine gesonderte Betrachtung
Überlegen Sie sich deshalb zunächst, welche Arbeitsbereiche Sie in Ihrem Betrieb beurteilen wollen. Die Beurteilung kann auf zwei verschiedene Arten gegliedert werden:
– Nach Arbeitsort: Gut geeignet, wenn sich z.B. Verwaltung, Produktion, Lager etc. klar voneinander unterscheiden lassen und die Mitarbeiter eines Bereichs ähnlichen Gefahren ausgesetzt sind.
– Nach Berufsgruppe: Sind die Mitarbeiter z.B. viel außerhalb des Betriebsgeländes im Einsatz oder sehr unterschiedlichen Risiken ausgesetzt, kann eine Gliederung nach Berufsgruppe sinnvoller sein, z.B. Elektriker, Außendienst, Buchhaltung etc.
Wenn Sie die Gliederung Ihrer Beurteilung festgelegt haben, sammeln Sie vorhandenes Material zu den einzelnen Bereichen. Darunter fallen z.B.:
– Zusammenstellung geltender Regeln: Arbeitsschutzverordnungen, technische Regeln usw.
– Bestehende Gefährdungsbeurteilungen, z.B. durch den Arbeitsschutz, interne Arbeitskreise, Gefahrstoff-Verordnungen usw.
– Erkenntnisse über Arbeitsunfälle, Krankenstand und dessen Ursachen (eigene oder durch Branchen-Organisation, Krankenkasse)
Gefährdungen ermitteln
Die Zusammenstellung potenzieller Risiken kann durch verschiedene Methoden und Verfahren erfolgen. Neben den gesammelten Materialien kann auch eine Diskussion mit Mitarbeitern der untersuchten Bereiche, eine Begehung vor Ort oder auch Messungen am Arbeitsplatz (z.B. von Lärm, Staub-Belastungen etc.) hilfreich sein. Abhängig von den beurteilten Arbeitsplätzen können unterschiedliche Methoden parallel angewandt werden.
Wichtig ist bei der Beurteilung, dass nicht nur die eigentliche Tätigkeit, z.B. das Bedienen einer Maschine, sondern auch die Vor- und Nachbereitung der Tätigkeit betrachtet werden muss (also z.B. auch das Beladen, Beschaffen von Material oder Säubern des Arbeitsbereiches).
Das Arbeitsschutzgesetz (§5 Absatz 3) legt fest, in welchen Dimensionen Gefährdungen untersucht werden sollen:
– Gestaltung und Einrichtung der Arbeitsstätte, z.B. Größe des Büros, Toiletten, Belüftung
– Physikalische, chemische und biologische Einwirkungen, z.B. Staub, Abluft, Sonneneinstrahlung
– Gestaltung, Auswahl, Einsatz von Arbeitsmitteln und Arbeitsstoffen sowie den Umgang damit, z.B. Arbeitsplatz mit Schreibtisch, Maus, Tastatur
– Gestaltung der Arbeits- und Fertigungsverfahren, der Arbeitsabläufe und Arbeitszeit sowie deren Zusammenwirken
– Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten
– Psychische Belastungen bei der Arbeit, siehe unten
Gefährdungen beurteilen
Sind alle Gefahren ermittelt, beurteilen Sie diese danach, ob getroffene Maßnahmen ausreichen oder weitere Maßnahmen nötig sind, um die Gefährdung zu reduzieren oder zu beseitigen.
Dabei können Arbeitsschutz-Gesetze oder branchen-spezifische Handlungsempfehlungen helfen. Existieren keine Regelungen, sollten Sie die Gefährdung nach Eintrittswahrscheinlichkeit sowie Schwere der Folgen beurteilen.
Hier kann die Risikomatrix nach NOHL helfen. Das Institut für Arbeitsschutz der Gesetzlichen Unfallversicherung hat dieses Verfahren anschaulich aufbereitet. Das PDF steht hier zum Download bereit.
Maßnahmen festlegen
Es gilt der Grundsatz der Vermeidung von Gefährdungen. Bei den Punkten, bei denen eine Gefährdung von Mitarbeitern nicht ausgeschlossen ist, sollten Sie Maßnahmen erarbeiten, wie diese Gefährdung beseitigt oder ausgeschlossen werden kann.
Zur Festlegung konkreter Maßnahmen sind diese 5 Fragen zu klären:
– Lässt sich die Gefährdung direkt an der Quelle reduzieren oder beseitigen? Wenn ja, keine weiteren Maßnahmen nötig.
Beispiel: Anschaffung anderer, modernerer Geräte
– Ist dies nicht möglich, lässt sich die Gefährdung durch technische Maßnahmen reduzieren oder beseitigen? Wenn ja, keine weiteren Maßnahmen nötig.
Beispiel: Installation von Filteranlagen, Lärmschutz-Maßnahmen
– Sind technische Maßnahmen nicht ausreichend, lässt sich die Gefährdung durch organisatorische Maßnahmen reduzieren oder beseitigen? Wenn ja, keine weiteren Maßnahmen nötig.
Beispiel: Veränderung von Arbeitsabläufen, Arbeitsteilung
– Sind organisatorische Maßnahmen nicht ausreichend, lässt sich die Gefährdung durch persönliche Schutzausrüstung reduzieren oder beseitigen? Wenn ja, keine weiteren Maßnahmen nötig.
Beispiel: Schutz-Handschuhe, Bildschirmbrille
– Ist Schutzausrüstung nicht möglich oder sinnvoll, lässt sich die Gefährdung durch Schulung der Mitarbeiter reduzieren oder beseitigen?
Beispiel: Sensibilisierung für ergonomisches Sitzen, korrektes Bedienen von Maschinen
Maßnahmen umsetzen
– Die Maßnahmen zur Reduzierung des Risikos sollten natürlich auch umgesetzt werden. Wenn sich mehrere Maßnahmen aus den vorherigen Schritten ergeben haben, sollte eine Priorisierung erfolgen. Gegebenenfalls kann auch ein Projektplan sinnvoll sein.
Wirksamkeit der Maßnahmen überprüfen
Die festgelegten Maßnahmen sollten in regelmäßigen Abständen überprüft werden, um festzustellen, ob dadurch wirklich eine Reduzierung des Risikos am Arbeitsplatz erfolgt.
Das kann abhängig von der Gefahr entweder durch Befragungen, Messungen oder eine Ortsbegehung erfolgen. In der Dokumentation (siehe nächster Punkt) sollte dann festgehalten werden, wer wann die Überprüfung mit welchem Ergebnis durchgeführt hat.
Ergebnisse dokumentieren
Für die Dokumentation der Ergebnisse ist keine besondere Form vorgeschrieben. Diese kann in digitaler oder gedruckter Form erfolgen. Es gibt also keine rechtlich bindende Vorlage. Bei elektronischer Form (also z.B. als PDF) muss lediglich sichergestellt werden, dass die Datei nicht nachträglich bearbeitet werden darf, z.B. mit einem Schreibschutz.
Das Arbeitsschutzgesetz (§6 Absatz 2) regelt lediglich, welche Inhalte die Unterlagen enthalten sollen:
– Das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung
– Die festgelegten Maßnahmen des Arbeitsschutzes (inkl. konkretem Zeitplan zur Umsetzung)
– Das Ergebnis ihrer Überprüfung
Die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung sollten Sie nicht als rein formalen Vorgang verstehen: Vielmehr trägt diese auch zur Rechtssicherheit für Arbeitgeber bei und Sie können die Unterlagen zur Schulung von Mitarbeitern verwenden.
Fortschreiben
Im deutschen Recht ist – anders als in vielen anderen europäischen Ländern – nicht festgeschrieben, wie oft eine solche Gefährdungsbeurteilung durchzuführen ist. Das Arbeitsschutzgesetz schreibt lediglich vor, dass die Arbeitsplatzbewertung bei betrieblichen Veränderungen oder neuen Erkenntnissen zu Gefährdungen anzupassen ist. Ein Beispiel dafür wäre also das Anschaffen einer neuen Maschine oder der Umzug in ein neues Gebäude bzw. die Erneuerung von Ausstattung.
Bei technischen Geräten oder Gefahrstoffen wird eine Überprüfung alle 3 bzw. 2 Jahre empfohlen.
Generell gilt als Faustregel: Alle 2 – 3 Jahre ist eine Überprüfung sinnvoll, alleine weil der technische Fortschritt die Gegebenheiten in vielen Bereichen schnell verändert.
Gefährdungsbeurteilung Psychische Belastungen
Seit Ende 2013 fordert das Arbeitsschutzgesetz explizit auch eine Beurteilung der psychischen Belastung bei einer Arbeitsplatzbewertung. Hier werden unter anderem Arbeitszeit, emotionale Inanspruchnahme, Arbeitsklima, Verantwortung, Abwechslung in der Tätigkeit, Lärm und die Work-Life-Balance betrachtet.
Eine genaue Anleitung für eine Gefährdungsbeurteilung Psychische Belastungen finden Sie beim Arbeitsprogramm Psyche der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutz-Strategie.
Quelle: GDA Psyche
Vorlagen für die Gefährdungsbeurteilung
Sind Sie unsicher, wie Sie in die Gefährdungsbeurteilung starten sollen oder welche Faktoren für Ihre Mitarbeiter relevant sind? Dann wenden Sie sich an Ihre zuständige Berufsgenossenschaft.
Hier erhalten Sie meist spezifische Vorlagen.
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